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                                zusammengestellt und verfasst von
                                Andreas Müller
2007 gründete sich in Chem- nitz eine Selbsthilfegruppe für AD(H)S-Betroffene:
AD(H)S-SHG Chemnitz
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"Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont."
(Konrad Adenauer, deutscher Bundeskanzler, 1876-1967)
ADS/ADHS
"Genialität und Wahnsinn liegen dicht beieinander"

Hypoaktivität

als hyperkinetische "Aufsattlung" zum Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
 - die nach innen gekehrte körperliche Bewältigungsstrategie der Reizüberforderung -
Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich in erster Linie an dem Auftreten von Hypoaktivität im Zusammenang mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) :
Bei ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) haben die Betroffenen einen nicht so stark eingestellten Reizfilter wie die meisten ihrer Mitmenschen. Sie nehmen deshalb weit mehr Reize gleichzeitig auf, als die Anderen. Das Gehirn ist deshalb bei längeren Phasen dieser überdurchschnittlich hohen Reizaufnahme überlastet oder zumindest auf Dauer an der Grenze der Belastbarkeit. Als körperliche Bewältigungsstrategie für die Überlastung gibt es zwei hyperkinetische Varianten: die zappelige, teilweise aggressive Hyperaktivität und die stille, verschlossene Hypoaktivität. Bei der Hypoaktitivität handelt es sich um eine zum ADS hinzukommende Form des Hyperkinetischen Syndroms (ADHS). Hierbei reagiert der menschliche Körper auf die Überlastungserscheinung im Gehirn mit Schließung der "Iris", d.h. er schottet sich gegen weitere Reizaufnahme ab. Die Betroffenen werden "reizverschlossen" und "nach-innen-gekehrt".
Da die Symptome der hypoaktiven ADS-Variante vorwiegend nach innen gerichtet sind, fallen hypoaktive Menschen selten auf und stören zunächst i.d.R. nicht.
Sie sind die sogenannten "Stillen", "Scheuen", die sehr leicht übersehen werden - die "Braven", "Lieben", die scheinbar keine Probleme verursachen.

Die Gesellschaft neigt zur Einstufung von Menschen nach dem Grad und der Art, wie sie sich in Prozesse/Abläufe einfügen, sie behindern oder nicht. Da hypoaktive Menschen zunächst diesbezüglich keine Störungen verursachen, werden sie infolge ihrer scheinbaren Problemlosigkeit von ihrem Umfeld als "lieb" empfunden.
Hypoaktive Menschen wirken mitunter unterwürfig. Auf gegen sie gerichtete Hänseleien und verbale, tätliche oder sächliche Angriffe reagieren sie kaum oder meist nur mit besänftigenden bzw. ausweichenden Aktivitäten. Ihre Friedfertigkeit beruht jedoch oft nur auf einer Art "Unfähigkeit" bzw. dem Fehlen entsprechender Motivationen, sich zu wehren. Während die Mehrheit der Menschen sich wehrt bzw. sich aktiv um das Abstellen/Ändern unangenehmer Situationen bemüht, neigen hypoaktive Menschen zum Ausblenden negativer Situationen und die Flucht in Ersatzwelten. Der Handlungsdruck entfällt dabei in dem Grad für die Betroffenen, wie der negative Fakt mit der "Flucht" in eine Traumwelt scheinbar verschwindet.
Hypoaktive Menschen erscheinen schwerer zugänglich, merkwürdig unnahbar und beschäftigen sich weitgehend mit sich selbst. Als Kinder spielen sie oft allein, abseits der Gruppe. Bei genauem Hinschauen und Einfühlen wird deutlich, dass diese scheinbare Ruhe eine Verkrampfung ist, das scheinbar konzentrierte Spiel ein Leerlaufspiel, das sich über lange Zeit in genau derselben Weise wiederholt und ohne neue kreative Impulse ist.
Hypoaktive Menschen isolieren sich teilweise selbst. Das Isolieren und der Drang zum "Unbeobachtet- Sein" hat aber nicht unbedeutend etwas damit zu tun, daß sie andere Formen der Reizbewältigung, des Lernens und der Informationsaufnahme haben als ihre Mitmenschen und hierfür - insbesondere für die Fälle scheinbaren Versagens - wenig Tollerranz und Ansporn erfahren, statt dessen eher Krititik und Ablehnung.
Oft werden hypoaktive Menschen von massiven Ängsten geplagt. Die Ängste resultieren aber eher aus der Verarbeitung eigener Erfahrungen und dem Reagieren des Umfeldes auf das "Anderssein" und insbesondere  die "Schwächen" der Betroffenen, als auf eine gehirnbedingte Veranlagung zum "Angst-haben" bzw. "Ängstigen". Insbesondere bei allen Abweichungen und Veränderungen von gewohnten Tagesabläufen und Prozessen treten bei ihnen - nicht unerheblich durch ihr Umfeld verursacht - Versagensängste infolge negativer Erfahrungen auf. Ähnliche Ängste entwickeln sie bei Trennungen, selbst bei alltäglichen, wie z.B. bei Kleinkindern das tagtägliche Verabschieden von der Mutter beim Betreten des Kindergartengruppenzimmers. Nicht selten senken Betroffene den Kopf, wenn sie jemand Fremdem begegnen. Hypoaktive Menschen haben Schwierigkeiten, mit ungewohnten Situationen umzugehen und ungewohnte Abläufe zu bewältigen. Mit jeder "Fehlleistung" unter den Augen anderer wächst hieraus eine Art Angst vor dem Versagen. Das Umfeld verstärkt mit seinen Bewertungen und Handlungen diese Angst zunehmend und wird deshalb als eine Art "Bedrohung" wahrgenommen. Das Trennen von vertrauten Personen trifft, wegen dem zunehmend als "feindlich" empfundenen Umfeld, hypoaktive Menschen besonders hart. Sich unbeobachtet fühlende hypoaktive Menschen erziehlen oft - wegen der nicht zu erwartenden Gefahr, daß andere Mißerfolge sehen und gegen die Betroffenen thematisieren können - wesentlich schnellere und höhere Entwicklungsfortschritte als in einer intolleranten Umgebung.
Ihre scheinbare Passivität, Weigerung (bzw. Verweigerung) und ihr scheinbarer Trotz - bis hin zu unbändigen, schwer nachvollziehbaren scheinbaren Zornausbrüchen - bringt nicht selten das soziale Gefüge um die Betroffen durcheinander. Für das Umfeld der Betroffenen ist dieses Verhalten unerklärlich und wird i.d.R. auch nicht tollerriert. Es muß aber wohl davon ausgegangen werden, daß diese Reaktionen Angstreaktionen der Betroffenen auf das Drängen bzw. den gegen den Zwang zum Durchführen von "gefürchteten Handlungen" sind und vom Umfeld der Betroffen oftmals nur als "Verweigerung", "Trotz" und "Zornausbruch" fehlinterpretiert werden. Die tagtäglich erlebten Reaktionen auf scheinbares Versagen und Mißerfolge prägen die Betroffenen. Das hieraus entstehende  "Nicht-Trauen-zu-Agieren" bzw. "Nicht-Trauen-eine-Handlung-auszuführen" führt zunächst zum Vermeiden von Situationen, wo die Betroffenen handeln müssen - also zu scheinbarer Passivität. Die Nichterkennung bzw. Nichttollerierung dessen durch das Umfeld der Betroffen und das Drängen auf die "gefürchtete Handlung" führt bei den hypoaktiven Menschen zu Abwehrhaltungen - zunächst zu einer "Weigerung" und später, wenn sie sich in ihrer Angst zu weit in die Ecke getrieben fühlen, zu aggressiven Gegenreaktionen.
Viele dieser Kinder lassen sich zeitweise nicht gerne berühren und haben eine Abneigung gegen Zärtlichkeiten. In der Literatur wird dies über die Figuren des Struwwelpeters und des Daumenlutschers karikiert. Dem Struwwelpeter ist Körperpflege, besonders Haarwaschen und Zähneputzen bis weit ins Schulalter hinein eine Qual. Der Daumenlutscher ist in sich zurückgezogen und stimuliert sich selbst, vielleicht auch durch Haardrehen, mit dem Körper schaukeln oder dem Kopf schlagen. Die zeitweise Abneigung gegen Berührungen und Zärtlichkeiten wirken sich mit zunehmenden Alter eher immer negativer aus, da mit Eintritt in die Geschlechtsreife auch ernsthafte Beziehungsprobleme beinahe vorprogrammiert sind.  Angewohnheiten, wie das Daumenlutschen, Nubbeln, Haaredrehen usw. bleiben bis ins späte Alter erhalten, auch wenn die Betroffenen mit zunehmendem Alter diese Dinge besser verbergen oder anderseitig zu kompensieren versuchen.
Bezugspersonen erleben hypoaktive Menschen oftmals wie hinter einer Glaswand, die sie nicht durchdringen können. Nicht selten versuchen sie diese in ihrer Verzweiflung manchmal buchstäblich mit aller Gewalt zu durchbrechen. Dies ist auch einer der Gründe für die unverständlichen brutalen Übergriffe der Erwachsenen diesen Kindern gegenüber (abgeschnittene Daumen beim Daumenlutscher). Hypoaktive Menschen können, wenn sie bei Ermahnungen oder Aufforderungen "Zu-machen", so vollständig eine Art "gläserne Wand" aufbauen, daß bei den in Unkenntnis über die Hypoaktivität befindlichen Personen der Eindruck entsteht, sie werden nicht für voll genommen, der Betroffene ignoriert sie.
Im Schulalter werden bei hypoaktiven Menschen nicht selten Lernrückstände, "Wahrnehmungsstörungen" und ein "Unter-den-Erwartungen-bleiben" festgestellt. Letzteres wird hierbei oftmals darauf zurück geführt, das hypoaktive Menschen über weite Strecken gar nicht zuhören bzw. in ihrer Phantasiewelt versinken würden und so den Schulstoff nicht mitbekommen. Bei ärztlichen Untersuchungen werden keine organischen Mängel an den Sinnesorganen festgestellt - die Unterbrechung liegt bei der Aufnahme und Verarbeitung der Sinnesreize. Die "Abschaltung" der Reizaufnahme ist von den Betroffenen nicht oder nur zeitweise beeinflussbar: "... kann sie gar nicht hereinlassen, hat wie "den Rollladen unten".
"Du könntest besser sein, wenn du dich nur mehr anstrengen würdest." ... eine typische, Schuldgefühle und Versagensängste erzeugende Aussage von Lehrern zu nichtdiagnostizierten hypoaktiven Kindern. Die als "geistige Abwesenheit"  sichtbaren Zeiträume dienen in nicht unerheblichem Maße der Entspannung im Gehirn gegen die Überlastung einer zu hohen Reizaufnahme. Man muß also bei einer "Erhöhung der Aufmerksamkeit" durch Rückdrängung der "Abschaltphasen" bedenken, daß die Überreizung des Gehirn ebenfalls begrenzt werden muß, also es zur Nivellierung von zwei Prozessen gleichzeitig kommen muß, was nicht unerheblichen Einfluß auf die Persönlichkeitsentwicklung haben dürfte.
Hypoaktive Menschen zeigen sich einerseits bei Berührungen oft extrem schmerzempfindlich, andererseits scheinen sie schwere Verletzungen kaum zu spüren. Hieraus ziehen zahlreiche Vertreter der Schulmedizin Schlußfolgerungen, die durchaus auch grundsätzlich anderer Art sein könnten (s.h. Nachbarspalte!) :
Wer sich so wenig spürt, kann auch nur ganz schwer eine Beziehung zum eigenen Körper und zu sich selbst entwickeln. Von daher ist die Welt um die Betroffenen herum oftmals fremd und feindlich statt vertraut.
Daraus entstehen extreme Ängste vor allem Möglichen, das die mühsam aufgebaute kleine Sicherheit und Kontrolle wieder gefährden könnte.
Folgt man der These von Thom Hartmann, die ADS-Betroffenen als direkte Nachfahren der Jäger in der Evaluation der Menschheit anzusehen, ist es auch anders erklärbar, warum das unterschiedliche Schmerzempfinden vorliegt:
Eine hohe Empfindlichkeit bei der Pirsch und Erkundung steht hierbei einer Schmerzunempfindlichkeit beim Kampf mit anderen oder dem zu jagenden Tier gegenüber.
Es ist folglich nicht sicher, ob eher eine höhere Kontrollfähigkeit des Körpers (ähnlich Selbsthypnose) oder tatsächlich ein geringerer Bezug zum eigenen Körper vorliegt.
Die wirklichen Ängste, welche Betroffene haben, sind die vom Umfeld oftmals geförderten Versagensängste.
Das Selbstwertgefühl von hypoaktiven Menschen ist meist sehr brüchig. Die Brüchigkeit des Selbstwertgefühls ist abhängig von den Erlebnissen der Betroffenen.
Die intellektuellen Fähigkeiten können nur in dem Maß entwickelt werden, als ein Zugang und eine Öffnung zur Außenwelt möglich ist. Die Begrenzung der Zeitfenster höchster Aufnahmefähig- keit und der Grad der "Abschaltung" im übrigen Zeitraum erfordern andere Lehrmethoden für die Betroffen.
Auch hypoaktive ADS-Betroffene halten sich seelisch meistens im Extrembereich auf: Sie machen entweder ganz auf oder ganz zu. Sie sind deshalb in bestimmter Hinsicht auf ihre eigene Weise sich selbst und anderen gegenüber nicht verlässlich. 
Hyperaktive und hypoaktive Menschen haben eine von den übrigen Menschen abweichende Ansprechbarkeit und Konzentration, die einen, weil sie fast ständig von Reizen überschwemmt werden, die andern, weil sie zu wenige Reize hereinlassen können/"wollen".
Der vom Umfeld und z.T. von den Betroffenen als dauerndes "Neben-den-Schuhen-stehens" empfundene Zustand macht es ihnen schwer, zu Persönlichkeiten heranzureifen, was dann oft zu den unangenehmen Kompensations- und Erprobungsaktionen führt.
Auch die Schulmedizin zielt in erster Linie darauf ab, die Abweichungen von der Norm als Störung zu behandeln, und die Betroffenen "normtauglich" zu medikamentieren und therapieren.
Der Zustand wird sowohl von den Betroffenen als auch ihrem Umfeld als belastend empfunden. Infolge der fehlenden Entfaltungsmöglichkeiten und durch die von der Gesellschaft getzten Maßstäbe und Rahmenbedingungen für das Verhalten des Einzelnen/Miteinander beschränkt sich Integration oft auf eine "Tauglichmachung" der Menschen mit ADS für eine, für sie nur bedingt geeignete Lebensweise.
Es kann davon ausgegangen werden, das die Aussagen von Hans von Lüpke zur Hyperaktivität sinngemäß auch für die Hypoaktivität gelten: Zusammenfassend ergibt sich, dass Hypoaktivität offensichtlich keine definierte Störung darstellt, sondern eine unspezifische Bewältigungsstrategie bei Beeinträchtigungen ganz unterschiedlicher Art. Die Gemeinsamkeit liegt bei Auslösern wie Angst, Unsicherheit und Verwirrung, Damit ist nichts über mögliche Ursachen und "Schuld"-Fragen, "richtige" oder "falsche" Behandlung gesagt. (...) Zum anderen wird deutlich, dass es bei der Hypoaktivität auch um eine Auseinandersetzung mit (ein Rückzug aus...)  der Umwelt geht. Das Problem kann nicht auf das Individuum eingegrenzt werden.
Bei Hypoaktivität im Zusammenhang mit ADHS haben die o.g. Auslöser ihre Ursache in der speziellen - nach innen gekehrten - Bewältigungsstrategie der Reizüberlastung.
Alle ADS-Betroffenen können ihre negativen Begleitsymptome und Verhaltensweisen nicht aus eigener Kraft und Anstrengung heraus aufheben, ja sich nicht einmal für eine Richtungsänderung entschließen. Dazu braucht es die helfenden Anderen, die sie wie einen entgleisten Zug zuerst einmal (wieder) auf die Schienen stellen. Entscheidend sind klare Regeln, Strenge und Konsequenz, Motivationshilfen sowie viel Anerkennung und Liebe.
Dies ist keine ärztlich-psychologische Beratung sondern sind private Ausführungen zu AD(H)S unter Nutzung von Veröffentlichungen in WEB und Literatur,  sowie eigenen Erlebnissen mit AD(H)S, die den Betroffenen und ihren Familien Mut machen und den Verantwortlichen in Politik und Bildung einen kleinen Einblick in diese Materie geben soll!
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